Prag 1/11 02 [Fehldaterung Sauers]
Smichow 586

Lieber Freund! Ich benutze die Feiertagsruhe um Ihnen den lange ausständigen Brief [zu] schreiben. Sie werden, wenn Sie ihn gelesen haben, die Verzögerung verzeihen.
Was die „Valeria“ betrifft, so ists ein halber Reinfall. Roethes Abhandlg. – ich will sonst über ihren Wert oder Unwert kein Wort verlieren, schimpft so erbärmlich über diese Theaterbearbeitg., dass gewiss viele Leute sagen werden, das Man. war des Drucks nicht wert. Auch hat sich Steig manches von Roethe wegnehmen lassen, was er übersehen hat oder nicht sehen wollte. So hab ich ihm brieflich [in] Bezug auf den in einen Admiral verwandelten General den richtigen Weg gewiesen; er war aber zu hochmüthig, um ihn zu betreten. – Die Insel Felsenburg ist ausgedruckt. Sie reicht bis 120. Mit 121 (Mösers Schrift gegen Friedr. d. Grossen ed. Schüddekopf) beginnt eine neue Serie (theurer!); fertig liegt vor Lichtenbergs Aphorismenbücher I. II (Leitzmann); Platen, Dram. Nachlass (ed. Petzet); dann folgt ein erster Band: Dramen zur Erklärg. der Hamb. Dram.: Weisses Richard III, wozu Jacobi die Einleitg. macht u. ich den Text. –
In Weimar wars diesmal erträglicher. Solang Kalischer dort arbeitete, betrat Su[ph]an das jenseitige Arbeitszimmer nicht u. es herrschte ein idealer Zustand: auch später giengs, da ich sehr kühl u. reserviert war. So gestand er mir Alles zu. Ich gebe Goethes Briefwechsel mit Grüner, Zauper u. Sternberg separat in unsrer Deutschböhm. Bibl. neu resp. zum 1. Mal heraus, um den Band der Schriften der Goethe-Ges. zu entlasten. Das Material ist sehr reich u hübsch; allerdings mehr für Öst. interessant als für Goethe. Ich bin namenlos fleissig; aber es kommt mir etwas viel zusammen.
Dr. Hecker, nach dem Sie fragen, ist ein Bonner Dr., der mir sehr gefallen hat. Er ist durchaus Philolog, ganz bei der Sache, ja begeistert; mir gegenwärtig im ganzen Archiv der liebste, da auch der Alkoholist Schüddekopf stumpf u. faul zu werden beginnt. Suphans Vorliebe mag persönliche Gründe haben, aber sie trifft diesmal den richtigen.
Ich war letzten Sonntag in Wien aus 2 Gründen. Glossy giebt Grillparzers Briefe chronologisch bei Cotta heraus. Ich habe den Plan entworfen u. mein schon vor 10 Jahren fertiges Manuscript als Grundlage hergegeben u. werde wohl auch mit auf dem Titel stehn, Cottas legen komischer Weise jetzt auf meinen Namen grossen Wert, was früher durchaus nicht der Fall war. Da sich die Bände im Druck u. formal an meine Ausgabe anschliessen, musste ich mich nothwendiger [We]ise der Sache annehmen. – Das Wichtigere aber war der Euphorion. Fromme hat schon im Juni für eine ev. Fortsetzg. 300 fl. Subvention mehr verlangt. Nun trieben wir ihn in einer Unterredung zu dreien (da Glossy das Geld aufbringt, ist er der eigentliche Herr) stark in die Enge, wiesen ihm nach, dass er schon als Drucker den Gewinn habe, dass die Druckkosten durch das Abonnem. (336 Ab.) gedeckt seien u. schlugen ihm vor, ihm Honorar u. alle Redactionsauslagen abzunehmen u. selbst durch die Subvention zu decken. Er musste wiederstrebend ! zugeben, dass unsre Aufstellungen vieles für sich hätten, that aber sehr beleidigt über unsre Fragen um den Herste[ll]ungspreis etc. u. stellte nun brieflich eine Rechnung auf, die alles so hoch ansetzt, dass in der That 705 Kronen Verlust herauskommen, während er im Juni nur 300 Kronen Verlust angab u. die anderen 300, die er verlangte, selbst als Gewinn d.h. als Ersatz der Verluste früherer Jahre ansetzte: Wir hatten bei der Unterredung den Eindruck, dass Fr. ein Erzspitzbube sei u. sein Brief, der im Ton höchst frech gehalten, ausserdem in sichtlicher Erregung geschrieben ist, bestätigt diesen Eindruck. – Was jetzt geschehn wird, weiss ich nicht. Glossy will die Zs. um jeden Preis halten, ich säh es als das grösste Glück für mich an, wenn sie eingienge. Das Geld wird Glossy vermuthlich leicht bekommen. Der Verlegerwechsel, der wohl auch einen Druckerwechsel zur Folge haben wird, ist mir höchst unangenehm. Glossy denkt an Braumüller, dessen Verlag soeben von zwei jüngeren Leuten übernommen wurde, von denen man Gutes hört. Ich habe von der abermaligen Krisis Niemandem was gesagt, als Hauffen (der Bibliographie wegen), der aber wol herumgesprochen haben wird. Ich habe auch ruhig für das nächste Jahr Alles angenommen u. vorbereitet; denn sonst würde die Zs. immer schlechter statt besser. Geht sie ein, so muss ich es eben auf mich nehmen, die Leute genarrt zu haben. Leider wird das aber kaum der Ausga[ng] sein. Geht sie fort, so lassen Sie Ihren Aufsatz ja gewiss wieder zu mir heimkehren. Vielleicht hätte ich ihn überhaupt nicht aus der Hand gegeben, wenn ich meiner Sache völlig sicher gewesen wäre.
Meiner Frau geht es zwar etwas besser; aber die Sorge ist noch nicht geschwunden. Natürlich liegt das am meisten auf mir.
Wegen Schwabe fand sich in Weimar nichts. Aus der Selbstbiogr. geht mit Sicherheit hervor, dass er niemals in Lpzg. studiert hat. Die Durchsicht seines in W. [er]haltenen Briefwechsels ergab gleichfalls nur ein negatives Resultat, das ich in eine knappe Anmerkg. zusammengefasst habe. Von dem, wie ich glaube, reichen u. schönen Doppelheft erhalten Sie nächstens den Text der Aufsätze. Es soll Anf. Dec. erscheinen, wenn mich Fromme nicht im Stich lässt.
Ihnen für den Winter alles Gute wünschend, in alter Liebe u. Freundschaft
Ihr
aufrichtig erg.
AS.

Prag 1/11 02 [Fehldaterung Sauers]
Smichow 586

Lieber Freund! Ich benutze die Feiertagsruhe um Ihnen den lange ausständigen Brief [zu] schreiben. Sie werden, wenn Sie ihn gelesen haben, die Verzögerung verzeihen.
Was die „Valeria“ betrifft, so ists ein halber Reinfall. Roethes Abhandlg. – ich will sonst über ihren Wert oder Unwert kein Wort verlieren, schimpft so erbärmlich über diese Theaterbearbeitg., dass gewiss viele Leute sagen werden, das Man. war des Drucks nicht wert. Auch hat sich Steig manches von Roethe wegnehmen lassen, was er übersehen hat oder nicht sehen wollte. So hab ich ihm brieflich [in] Bezug auf den in einen Admiral verwandelten General den richtigen Weg gewiesen; er war aber zu hochmüthig, um ihn zu betreten. – Die Insel Felsenburg ist ausgedruckt. Sie reicht bis 120. Mit 121 (Mösers Schrift gegen Friedr. d. Grossen ed. Schüddekopf) beginnt eine neue Serie (theurer!); fertig liegt vor Lichtenbergs Aphorismenbücher I. II (Leitzmann); Platen, Dram. Nachlass (ed. Petzet); dann folgt ein erster Band: Dramen zur Erklärg. der Hamb. Dram.: Weisses Richard III, wozu Jacobi die Einleitg. macht u. ich den Text. –
In Weimar wars diesmal erträglicher. Solang Kalischer dort arbeitete, betrat Su[ph]an das jenseitige Arbeitszimmer nicht u. es herrschte ein idealer Zustand: auch später giengs, da ich sehr kühl u. reserviert war. So gestand er mir Alles zu. Ich gebe Goethes Briefwechsel mit Grüner, Zauper u. Sternberg separat in unsrer Deutschböhm. Bibl. neu resp. zum 1. Mal heraus, um den Band der Schriften der Goethe-Ges. zu entlasten. Das Material ist sehr reich u hübsch; allerdings mehr für Öst. interessant als für Goethe. Ich bin namenlos fleissig; aber es kommt mir etwas viel zusammen.
Dr. Hecker, nach dem Sie fragen, ist ein Bonner Dr., der mir sehr gefallen hat. Er ist durchaus Philolog, ganz bei der Sache, ja begeistert; mir gegenwärtig im ganzen Archiv der liebste, da auch der Alkoholist Schüddekopf stumpf u. faul zu werden beginnt. Suphans Vorliebe mag persönliche Gründe haben, aber sie trifft diesmal den richtigen.
Ich war letzten Sonntag in Wien aus 2 Gründen. Glossy giebt Grillparzers Briefe chronologisch bei Cotta heraus. Ich habe den Plan entworfen u. mein schon vor 10 Jahren fertiges Manuscript als Grundlage hergegeben u. werde wohl auch mit auf dem Titel stehn, Cottas legen komischer Weise jetzt auf meinen Namen grossen Wert, was früher durchaus nicht der Fall war. Da sich die Bände im Druck u. formal an meine Ausgabe anschliessen, musste ich mich nothwendiger [We]ise der Sache annehmen. – Das Wichtigere aber war der Euphorion. Fromme hat schon im Juni für eine ev. Fortsetzg. 300 fl. Subvention mehr verlangt. Nun trieben wir ihn in einer Unterredung zu dreien (da Glossy das Geld aufbringt, ist er der eigentliche Herr) stark in die Enge, wiesen ihm nach, dass er schon als Drucker den Gewinn habe, dass die Druckkosten durch das Abonnem. (336 Ab.) gedeckt seien u. schlugen ihm vor, ihm Honorar u. alle Redactionsauslagen abzunehmen u. selbst durch die Subvention zu decken. Er musste wiederstrebend ! zugeben, dass unsre Aufstellungen vieles für sich hätten, that aber sehr beleidigt über unsre Fragen um den Herste[ll]ungspreis etc. u. stellte nun brieflich eine Rechnung auf, die alles so hoch ansetzt, dass in der That 705 Kronen Verlust herauskommen, während er im Juni nur 300 Kronen Verlust angab u. die anderen 300, die er verlangte, selbst als Gewinn d.h. als Ersatz der Verluste früherer Jahre ansetzte: Wir hatten bei der Unterredung den Eindruck, dass Fr. ein Erzspitzbube sei u. sein Brief, der im Ton höchst frech gehalten, ausserdem in sichtlicher Erregung geschrieben ist, bestätigt diesen Eindruck. – Was jetzt geschehn wird, weiss ich nicht. Glossy will die Zs. um jeden Preis halten, ich säh es als das grösste Glück für mich an, wenn sie eingienge. Das Geld wird Glossy vermuthlich leicht bekommen. Der Verlegerwechsel, der wohl auch einen Druckerwechsel zur Folge haben wird, ist mir höchst unangenehm. Glossy denkt an Braumüller, dessen Verlag soeben von zwei jüngeren Leuten übernommen wurde, von denen man Gutes hört. Ich habe von der abermaligen Krisis Niemandem was gesagt, als Hauffen (der Bibliographie wegen), der aber wol herumgesprochen haben wird. Ich habe auch ruhig für das nächste Jahr Alles angenommen u. vorbereitet; denn sonst würde die Zs. immer schlechter statt besser. Geht sie ein, so muss ich es eben auf mich nehmen, die Leute genarrt zu haben. Leider wird das aber kaum der Ausga[ng] sein. Geht sie fort, so lassen Sie Ihren Aufsatz ja gewiss wieder zu mir heimkehren. Vielleicht hätte ich ihn überhaupt nicht aus der Hand gegeben, wenn ich meiner Sache völlig sicher gewesen wäre.
Meiner Frau geht es zwar etwas besser; aber die Sorge ist noch nicht geschwunden. Natürlich liegt das am meisten auf mir.
Wegen Schwabe fand sich in Weimar nichts. Aus der Selbstbiogr. geht mit Sicherheit hervor, dass er niemals in Lpzg. studiert hat. Die Durchsicht seines in W. [er]haltenen Briefwechsels ergab gleichfalls nur ein negatives Resultat, das ich in eine knappe Anmerkg. zusammengefasst habe. Von dem, wie ich glaube, reichen u. schönen Doppelheft erhalten Sie nächstens den Text der Aufsätze. Es soll Anf. Dec. erscheinen, wenn mich Fromme nicht im Stich lässt.
Ihnen für den Winter alles Gute wünschend, in alter Liebe u. Freundschaft
Ihr
aufrichtig erg.
AS.

Das Wichtigere aber war der Euphorion. Fromme hat schon im Juni für eine ev. Fortsetzg. 300 fl. Subvention mehr verlangt. Nun trieben wir ihn in einer Unterredung zu dreien (da Glossy das Geld aufbringt, ist er der eigentliche Herr) stark in die Enge, wiesen ihm nach, dass er schon als Drucker den Gewinn habe, dass die Druckkosten durch das Abonnem. (336 Ab.) gedeckt seien u. schlugen ihm vor, ihm Honorar u. alle Redactionsauslagen abzunehmen u. selbst durch die Subvention zu decken.

Zwischen dem Fromme-Verlag und August Sauer kam es immer wieder zu Diskussionen bezüglich der Finanzierung der Zeitschrift Euphorion.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 423/1-441
Umfang: 7 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-9011 [Druckausgabe Nr. 200]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.9011/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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