Prag, 28/2 99
Smichow 586.

L. F. Ich bin, ohne daß ich eigentlich recht weiß wie in meiner Correspondenz mit Ihnen [au]ßer Ordnung gekommen und ich benütze die stille Woche, um die mir liebgewordene Gewohnheit mit Ihnen in sehr naher Fühlung zu bleiben wieder aufzunehmen. Der Februar war uns sehr unangenehm. Zuerst erkrankte unsre Magd an Influenza, dann meine Frau: (ich selbst überwand sie außer Bett) u. es waren 14 gräuliche Tage. Vorher u. nachher hatte ich eine Unmasse Zeug für die Berliner Jbb (Lyrik) zu erledigen u. das Laufende gieng nebenher. Von der Zs. sende ich Ihnen das neue Heft, in dem Sie einiges finden werden, was Sie zufriedenstellen wird. Ich habe jetzt sehr viel Schönes liegen: leider aber so viel, daß mir wieder auf ein ganzes Jahr die Hände gebunden sind: Natürlich mit Ausnahme der Rec. Werner will in einem Ergänzungsheft einen 3. Band Hebbelbriefe herausgeben, wovon ich keineswegs entzü[ckt] bin. Geht aber Fromme auf seinen Vorschlag ein, so will ich das als einen Beweis ansehen, daß die Zs. nicht gar so schlecht geht und will Ja u. Amen dazu sagen. Merkwürdiger Weise habe ich eine lächerliche, abergläubische Furcht, daß ein 7. Jahrgang nicht zu Stande kommt, obwohl gar keine bestimmten Anzeigen dafür vorliegen; die täglichen Anfragen und Einsendungen vielmehr darauf hindeuten, daß die [Zs.] viel bekannter ist als früher. Ob allerdings damit auch die Abonnentenzahl gestiegen ist, weiß ich nicht. – Daß die DLD mit dem Göschenschen Verlag in den von Behr in Berlin übergegangen sind, wissen S[ie] wahrscheinlich schon. Es ist eine einsilbige Firma: E. Behrs Verlag (A. Bock), Besitzer Dr. Bloch. Nach Elias’ Versicherung soll der gegenwärtige Besitzer sehr anständig und verständig sein. Er will die Samml. fortsetzen; einst[wei]len hält mich Köster mit der Fortsetz. des Neolog. Wörterbuchs leider sehr hin. Zwischen die beiden letzten Lieferungen Schönaichs schieben wir ein ganz kleines Heft mit einem ungedruckten Weihnachtsspiel Hübners aus dem Anfang des 17. Jhs ein. Über die Fortsetz. arbeite ich momentan an einer kleinen Denkschrift. – Am meisten Sorge macht mir jetzt der Vorschlag für Kelle. Die Comission ist in der letzten Sitzung gewählt worden, ist aber noch nicht zusammen getreten. Die erste Bombe wird nach Graz fliegen. Schlägt sie dort ein, dann bin ich gerettet! Wenn nicht, wird weiter nach Innsbruck gefeuert! Gräbt sie sich aber auch dort unschädlich in den Erdboden ein, dann bin ich von allen guten Geistern verlassen, obwol mich täglich solche mit Wünschen & Ratschlägen umschweben.
Mehr wollen Sie nicht wissen; also will ich Sie damit nicht quälen. Leider habe ich nach Wettsteins Abgang für den Sommer auch wieder das Dekanat übernehmen müssen! Also für Abhaltung vom [Arb]eiten ist gesorgt. – Kühnemann soll also in Marburg ernannt sein. Es ist sonderbar von Schröder: er führt Scherers Namen immer im Mund: seine Thaten weisen aber nach der entgegengesetzten Richtung. Nun ist Basel frei. RMM. wird wieder traurige Stunden verleben, wenn er nicht vorgeschlagen wird. Vielleicht erwartet er das auch von Prag: aber wir werden wol überhaupt [ka]um auf Ausländer reflektieren. Wenn aber, dann müßte doch Steinmeyer oder Rödiger oder Henning vorangehn. Doch ich verliere mich schon wieder auf das schlüpfrige Thema. Verzeihen Sie. Möchte bei Ihnen schon wieder Gesundheit u. Ruhe eingekehrt sein, das wünscht Ihnen Ihr treulich er[g.] AS.

Prag, 28/2 99
Smichow 586.

L. F. Ich bin, ohne daß ich eigentlich recht weiß wie in meiner Correspondenz mit Ihnen [au]ßer Ordnung gekommen und ich benütze die stille Woche, um die mir liebgewordene Gewohnheit mit Ihnen in sehr naher Fühlung zu bleiben wieder aufzunehmen. Der Februar war uns sehr unangenehm. Zuerst erkrankte unsre Magd an Influenza, dann meine Frau: (ich selbst überwand sie außer Bett) u. es waren 14 gräuliche Tage. Vorher u. nachher hatte ich eine Unmasse Zeug für die Berliner Jbb (Lyrik) zu erledigen u. das Laufende gieng nebenher. Von der Zs. sende ich Ihnen das neue Heft, in dem Sie einiges finden werden, was Sie zufriedenstellen wird. Ich habe jetzt sehr viel Schönes liegen: leider aber so viel, daß mir wieder auf ein ganzes Jahr die Hände gebunden sind: Natürlich mit Ausnahme der Rec. Werner will in einem Ergänzungsheft einen 3. Band Hebbelbriefe herausgeben, wovon ich keineswegs entzü[ckt] bin. Geht aber Fromme auf seinen Vorschlag ein, so will ich das als einen Beweis ansehen, daß die Zs. nicht gar so schlecht geht und will Ja u. Amen dazu sagen. Merkwürdiger Weise habe ich eine lächerliche, abergläubische Furcht, daß ein 7. Jahrgang nicht zu Stande kommt, obwohl gar keine bestimmten Anzeigen dafür vorliegen; die täglichen Anfragen und Einsendungen vielmehr darauf hindeuten, daß die [Zs.] viel bekannter ist als früher. Ob allerdings damit auch die Abonnentenzahl gestiegen ist, weiß ich nicht. – Daß die DLD mit dem Göschenschen Verlag in den von Behr in Berlin übergegangen sind, wissen S[ie] wahrscheinlich schon. Es ist eine einsilbige Firma: E. Behrs Verlag (A. Bock), Besitzer Dr. Bloch. Nach Elias’ Versicherung soll der gegenwärtige Besitzer sehr anständig und verständig sein. Er will die Samml. fortsetzen; einst[wei]len hält mich Köster mit der Fortsetz. des Neolog. Wörterbuchs leider sehr hin. Zwischen die beiden letzten Lieferungen Schönaichs schieben wir ein ganz kleines Heft mit einem ungedruckten Weihnachtsspiel Hübners aus dem Anfang des 17. Jhs ein. Über die Fortsetz. arbeite ich momentan an einer kleinen Denkschrift. – Am meisten Sorge macht mir jetzt der Vorschlag für Kelle. Die Comission ist in der letzten Sitzung gewählt worden, ist aber noch nicht zusammen getreten. Die erste Bombe wird nach Graz fliegen. Schlägt sie dort ein, dann bin ich gerettet! Wenn nicht, wird weiter nach Innsbruck gefeuert! Gräbt sie sich aber auch dort unschädlich in den Erdboden ein, dann bin ich von allen guten Geistern verlassen, obwol mich täglich solche mit Wünschen & Ratschlägen umschweben.
Mehr wollen Sie nicht wissen; also will ich Sie damit nicht quälen. Leider habe ich nach Wettsteins Abgang für den Sommer auch wieder das Dekanat übernehmen müssen! Also für Abhaltung vom [Arb]eiten ist gesorgt. – Kühnemann soll also in Marburg ernannt sein. Es ist sonderbar von Schröder: er führt Scherers Namen immer im Mund: seine Thaten weisen aber nach der entgegengesetzten Richtung. Nun ist Basel frei. RMM. wird wieder traurige Stunden verleben, wenn er nicht vorgeschlagen wird. Vielleicht erwartet er das auch von Prag: aber wir werden wol überhaupt [ka]um auf Ausländer reflektieren. Wenn aber, dann müßte doch Steinmeyer oder Rödiger oder Henning vorangehn. Doch ich verliere mich schon wieder auf das schlüpfrige Thema. Verzeihen Sie. Möchte bei Ihnen schon wieder Gesundheit u. Ruhe eingekehrt sein, das wünscht Ihnen Ihr treulich er[g.] AS.

Daß die DLD mit dem Göschenschen Verlag in den von Behr in Berlin übergegangen sind, wissen S[ie] wahrscheinlich schon. Es ist eine einsilbige Firma: E. Behrs Verlag (A. Bock), Besitzer Dr. Bloch. Nach Elias’ Versicherung soll der gegenwärtige Besitzer sehr anständig und verständig sein. Er will die Samml. fortsetzen;

Ab 1900 erschienen die DLD im Berliner Verlag B. Behr, wo sie Sauer noch bis 1904 herausgab. Nach seinem Ausscheiden wurde auf den Titelblättern der DLD kein verantwortlicher Herausgeber mehr ausgewiesen. Insgesamt erschienen zwischen 1881 und 1924, als B. Behr die Reihe einstellte 128 Nummern in 85 Bänden.

Briefdaten

Schreibort: Prag
Empfangsort: Graz
Archiv: Österreichische Nationalbibliothek
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand, allerdings kleinräumige Textverluste durch nachträgliche Lochung
Signatur: Autogr. 422/1-366
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8911 [Druckausgabe Nr. 174]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8911/methods/sdef:TEI/get

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