Lieber freund, Mit dem ersten gruss in Ihre neue wirkungsstätte verbinde ich den wunsch, Sie möchten sich leicht eingewöhnt haben. Ich danke Ihnen noch für die letzten worte aus Graz und dass Sie bei Sch. für mich sprachen. Im juni wirds ja da entschieden werden und fällt das loos so, dass es nach Wien weiterläuft, so werd ich neue monate eines sehr zweifelhaften hoffens durchleben. Ich war in Weimar beim Goethetag und lernte da auch Waldberg kennen. Viele alte und neue bekannte, viel zu viel getöse für meine jetzige stimmung und einsame lebensart. Loeper war da, endlich wart die schriftliche bekanntschaft zur mündlichen. Aber Scherer fehlte und fehlte sehr. Schmidt war der liebenswürdige wirt. Wissen Sie, dass ich den Göttling II für die gesellschaftsausgabe spielen soll? Aber ich fürchte die riesenarbeit der 150 bände und kann den Wieland nicht verschmerzen. Ich flüchtete aus den keilversuchen mich mit der urenkelin meines götzen an sein grab und suchte seinen dämon durch lorberspende zu versöhnen. Aber – er verzeiht mir doch nicht, wenn ich wie seine zeit wegen des grösseren von ihm abtrünnig werde. Lassen Sie mich in einer zeile hören, dass es Ihnen gut geht. Grüssend
BSeuffert

Wzbg. 17.V. 86.

Lieber freund, Mit dem ersten gruss in Ihre neue wirkungsstätte verbinde ich den wunsch, Sie möchten sich leicht eingewöhnt haben. Ich danke Ihnen noch für die letzten worte aus Graz und dass Sie bei Sch. für mich sprachen. Im juni wirds ja da entschieden werden und fällt das loos so, dass es nach Wien weiterläuft, so werd ich neue monate eines sehr zweifelhaften hoffens durchleben. Ich war in Weimar beim Goethetag und lernte da auch Waldberg kennen. Viele alte und neue bekannte, viel zu viel getöse für meine jetzige stimmung und einsame lebensart. Loeper war da, endlich wart die schriftliche bekanntschaft zur mündlichen. Aber Scherer fehlte und fehlte sehr. Schmidt war der liebenswürdige wirt. Wissen Sie, dass ich den Göttling II für die gesellschaftsausgabe spielen soll? Aber ich fürchte die riesenarbeit der 150 bände und kann den Wieland nicht verschmerzen. Ich flüchtete aus den keilversuchen mich mit der urenkelin meines götzen an sein grab und suchte seinen dämon durch lorberspende zu versöhnen. Aber – er verzeiht mir doch nicht, wenn ich wie seine zeit wegen des grösseren von ihm abtrünnig werde. Lassen Sie mich in einer zeile hören, dass es Ihnen gut geht. Grüssend
BSeuffert

Wzbg. 17.V. 86.

Ich war in Weimar beim Goethetag [...]. Viele alte und neue bekannte, viel zu viel getöse für meine jetzige stimmung und einsame lebensart. [...] Aber Scherer fehlte und fehlte sehr.

Wilhelm Scherer hatte am 18.11.1885 einen Schlaganfall erlitten, von dessen Folgen er sich nur langsam erholte. Er kam deshalb nicht zum Goethetag nach Weimar.

Wissen Sie, dass ich den Göttling II für die gesellschaftsausgabe spielen soll? Aber ich fürchte die riesenarbeit der 150 bände und kann den Wieland nicht verschmerzen.

Bernhard Seuffert wurde im Sommer 1886 als Generalkorrektor für die Edition der Weimarer Goetheausgabe eingesetzt. Er verglich diese Position mit der des Philologen Karl Wilhelm Göttling, den J.W. v. Goethe bei der  Herausgabe seiner Werke herangezogen hatte.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Prag
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: Postkarte

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8353 [Druckausgabe Nr. 62]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8353/methods/sdef:TEI/get

Lizenzhinweis

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