Würzburg 29 VI 83.

Sehr geehrter herr kollege,

So erfreulich mir Ihre erste karte war, so bedauerlich die nachfolgende.
Wenn Sie den umfang der Littnotiz über die Wiener neudrucke betrachten, der doch gewiss für diese stelle ein ganz abnormer ist, so mussten Sie schon daraus ersehen, dass mir die empfehlung Ihrer sammlung am herzen lag.
Dass ich Ihre art zu arbeiten überhaupt sehr hoch einschätze, glaube ich wahrlich in der anzeige Ihres Kleist bewiesen zu haben. Ausserdem können Sie überzeugt sein, dass ich Sie nicht um Ihre mitarbeiterschaft an den DLD gebeten hätte, wenn ich nicht Ihre arbeitskraft und -weise billigen, ja für musterhaft halten würde. Sie könnten gewiss sein, dass ich Sie nicht zum zweiten male gebeten hätte, wenn mir die herausgabe des 4. heftes durch Sie nicht ganz zugesagt hätte. Ferner habe ich ja widerholt Sie darum zu ersuchen mir erlaubt, auch fürder Ihre beihilfe in anspruch nehmen zu dürfen, habe in rücksicht darauf das von Ihnen gewünschte heft Pyra u. Lange, Thirsis und Damon auf dem umschlage der neuesten nummern angekündigt, was ich wahrlich nicht getan hätte, wenn ich an Ihnen irre geworden wäre. Ich hoffe und bitte ausdrücklich, dass Sie Ihre zusagen nicht zurückziehen, dass Sie dies, die preussischen volkskriegslieder und anderes bei mir edieren.
Ich hätte geglaubt, diese tatsachen sprächen deutlich genug, um mich vor misverständlicher deutung meiner worte zu schützen. Trotzdem glaubten Sie leider, den satz, worin der ausdruck ‚handwerksmässig‘ vorkommt, auf sich beziehen zu dürfen. Ich habe den satz ganz allgemein hingestellt und indem ich fortfahre: Sauer hat fehler beseitigt, wird ja doch klar, dass ich Sie zu den kritischen und nicht zu den handwerksmässigen neudruckern (bei denen ich lediglich an Hollands Faust, d. h. an Drugulins Faust dachte) rechne. Was ich meinte, Ihnen sagen zu dürfen, ja sagen zu müssen im interesse einer gedeihlichen entfaltung des unternehmens, das war der wunsch, Sie möchten die kritik, die Sie bisher geübt in den WND, noch weiter ausdehnen.
Gewiss habe auch ich erst während des neudruckes gelernt und hoffe noch mehr zu lernen. Insbesondere gedenke ich – wenn ich selbst herausgeber eines stückes bin – das druckfehlerverzeichnis stärker zu kürzen als bisher. Aber ich wäre sehr froh gewesen, wenn sich jemand mit der äusseren seite meiner ausgaben beschäftigt hätte; dann hätte ich mit einem male gelernt, was ich erst nach und nach auf mich selbst angewiesen erfuhr. Die druckerei war von anfang an gut, dann ward sie nachlässig und ich habe vor 2 monaten einen grossen kampf mit ihr geführt; in der alternative, entweder den satz zu verlieren oder sich einen besseren korrektor anzuschaffen, wählte sie den letzteren weg. Aber auch jetzt ist sie kein Drugulin. Ich habe alle bogen der Frkft. gel. anz. in korr. und 2 revisionen, zuweilen in 3 revisionen gelesen, jede derselben mindestens dreimal; also jeden bogen 9–12 mal; und trotzdem sind sicher fehler stehen geblieben, durch meine eigene schuld u. die der druckerei.
Doch wozu rede ich davon! dass ich mich nicht für unfehlbar halte, wissen Sie wol. und dass ich gerade darum keinem anderen unbillige vorwürfe machen darf und will, am allerwenigsten Ihnen, liegt auf der hand.
Ich bitte also das misverständnis auszustreichen und unser verhältnis in der alten weise fortzuführen. Ich muss in diesem augenblicke um so ernstlicher darum bitten, als Sie wol gar meine antwort auf Ihre frage wegen des ‚Wieland und Österr.‘ in einen zusammenhang mit Ihrer auffassung meiner Littnotiz bringen wollen. Damit ich sicher gehe, habe ich einem unbeteiligten Freunde meinen Wielandkontrakt und Ihre karte vorgelegt und auch er hat unbeeinflusst von meiner auffassung die befürchtung gehegt, meine verleger könnten gegen die von Ihnen angebotene ankündigung einspruch erheben. Ich bedauere aufrichtig, dass ich leichtsinnig kontrakte einging, die mir diesmal wie für die mitarbeiterschaft an den WND die hand binden.
In unveränderter hochachtung und ergebenheit grüsst treulichst
BSeuffert.

Würzburg 29 VI 83.

Sehr geehrter herr kollege,

So erfreulich mir Ihre erste karte war, so bedauerlich die nachfolgende.
Wenn Sie den umfang der Littnotiz über die Wiener neudrucke betrachten, der doch gewiss für diese stelle ein ganz abnormer ist, so mussten Sie schon daraus ersehen, dass mir die empfehlung Ihrer sammlung am herzen lag.
Dass ich Ihre art zu arbeiten überhaupt sehr hoch einschätze, glaube ich wahrlich in der anzeige Ihres Kleist bewiesen zu haben. Ausserdem können Sie überzeugt sein, dass ich Sie nicht um Ihre mitarbeiterschaft an den DLD gebeten hätte, wenn ich nicht Ihre arbeitskraft und -weise billigen, ja für musterhaft halten würde. Sie könnten gewiss sein, dass ich Sie nicht zum zweiten male gebeten hätte, wenn mir die herausgabe des 4. heftes durch Sie nicht ganz zugesagt hätte. Ferner habe ich ja widerholt Sie darum zu ersuchen mir erlaubt, auch fürder Ihre beihilfe in anspruch nehmen zu dürfen, habe in rücksicht darauf das von Ihnen gewünschte heft Pyra u. Lange, Thirsis und Damon auf dem umschlage der neuesten nummern angekündigt, was ich wahrlich nicht getan hätte, wenn ich an Ihnen irre geworden wäre. Ich hoffe und bitte ausdrücklich, dass Sie Ihre zusagen nicht zurückziehen, dass Sie dies, die preussischen volkskriegslieder und anderes bei mir edieren.
Ich hätte geglaubt, diese tatsachen sprächen deutlich genug, um mich vor misverständlicher deutung meiner worte zu schützen. Trotzdem glaubten Sie leider, den satz, worin der ausdruck ‚handwerksmässig‘ vorkommt, auf sich beziehen zu dürfen. Ich habe den satz ganz allgemein hingestellt und indem ich fortfahre: Sauer hat fehler beseitigt, wird ja doch klar, dass ich Sie zu den kritischen und nicht zu den handwerksmässigen neudruckern (bei denen ich lediglich an Hollands Faust, d. h. an Drugulins Faust dachte) rechne. Was ich meinte, Ihnen sagen zu dürfen, ja sagen zu müssen im interesse einer gedeihlichen entfaltung des unternehmens, das war der wunsch, Sie möchten die kritik, die Sie bisher geübt in den WND, noch weiter ausdehnen.
Gewiss habe auch ich erst während des neudruckes gelernt und hoffe noch mehr zu lernen. Insbesondere gedenke ich – wenn ich selbst herausgeber eines stückes bin – das druckfehlerverzeichnis stärker zu kürzen als bisher. Aber ich wäre sehr froh gewesen, wenn sich jemand mit der äusseren seite meiner ausgaben beschäftigt hätte; dann hätte ich mit einem male gelernt, was ich erst nach und nach auf mich selbst angewiesen erfuhr. Die druckerei war von anfang an gut, dann ward sie nachlässig und ich habe vor 2 monaten einen grossen kampf mit ihr geführt; in der alternative, entweder den satz zu verlieren oder sich einen besseren korrektor anzuschaffen, wählte sie den letzteren weg. Aber auch jetzt ist sie kein Drugulin. Ich habe alle bogen der Frkft. gel. anz. in korr. und 2 revisionen, zuweilen in 3 revisionen gelesen, jede derselben mindestens dreimal; also jeden bogen 9–12 mal; und trotzdem sind sicher fehler stehen geblieben, durch meine eigene schuld u. die der druckerei.
Doch wozu rede ich davon! dass ich mich nicht für unfehlbar halte, wissen Sie wol. und dass ich gerade darum keinem anderen unbillige vorwürfe machen darf und will, am allerwenigsten Ihnen, liegt auf der hand.
Ich bitte also das misverständnis auszustreichen und unser verhältnis in der alten weise fortzuführen. Ich muss in diesem augenblicke um so ernstlicher darum bitten, als Sie wol gar meine antwort auf Ihre frage wegen des ‚Wieland und Österr.‘ in einen zusammenhang mit Ihrer auffassung meiner Littnotiz bringen wollen. Damit ich sicher gehe, habe ich einem unbeteiligten Freunde meinen Wielandkontrakt und Ihre karte vorgelegt und auch er hat unbeeinflusst von meiner auffassung die befürchtung gehegt, meine verleger könnten gegen die von Ihnen angebotene ankündigung einspruch erheben. Ich bedauere aufrichtig, dass ich leichtsinnig kontrakte einging, die mir diesmal wie für die mitarbeiterschaft an den WND die hand binden.
In unveränderter hochachtung und ergebenheit grüsst treulichst
BSeuffert.

Wenn Sie den umfang der Littnotiz über die Wiener neudrucke betrachten, der doch gewiss für diese stelle ein ganz abnormer ist, so mussten Sie schon daraus ersehen, dass mir die empfehlung Ihrer sammlung am herzen lag. [...] Ich bitte also das misverständnis auszustreichen und unser verhältnis in der alten weise fortzuführen.

Seuffert rechtfertigte sich und versuchte das Missverständnis, das seine Rezension der WND hervorgerufen hatte, zu beseitigen.

Briefdaten

Schreibort: Würzburg
Empfangsort: Lemberg
Archiv: Staatsarchiv Würzburg
Zustand: archivarisch einwandfreier Zustand
Umfang: 4 Seite(n)

Status

Transkription mehrfach geprüft, Text teilweise getaggt

Zitiervorschlag

Brief ID-8264 [Druckausgabe Nr. 33]. In: Der Briefwechsel zwischen August Sauer und Bernhard Seuffert 1880 bis 1926. Digitale Edition. Hrsg. von Bernhard Fetz, Hans-Harald Müller, Marcel Illetschko, Mirko Nottscheid und Desiree Hebenstreit. Wien: Österreichische Nationalbibliothek, Version 2.0, 2.7.2020. URL: https://edition.onb.ac.at/sauer-seuffert/o:bss.8264/methods/sdef:TEI/get

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Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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