Das vierjährige Forschungsprojekt zur Korrespondenz zwischen August Sauer (1855–1926) und Bernhard Seuffert (1853–1938) beschäftigte sich mit einer zentralen wissenschafts- und kulturgeschichtlichen Quelle. Der mehr als 1200 Briefe und Karten aus den Jahren zwischen 1880 und 1926 umfassende Briefwechsel zwischen Sauer und Seuffert gehört zu den bedeutenden Germanistenkorrespondenzen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Sauer und Seuffert zählten in Deutschland und Österreich zu den einflussreichsten Germanisten ihrer Zeit. Ihre Forschungsarbeiten, Publikationen und Projekte leisteten einen wichtigen Beitrag zur Herausbildung und eigenständigen Profilierung der Neueren deutschen Literaturgeschichte innerhalb der Germanistik.
Wzbg. 6 IV 83 Herzogeng. 5
Meinen aufrichtigen glückwunsch, verehrter herr – –
ja wie soll ich Sie nun anreden? ich bitte dass Sie auch als professor den untergeordneten privatdocenten nicht vergessen u. seine bekanntschaft nicht verschmähen. Ich hatte von der vertauschung Werners u. Sauers schon gehört, verstand aber die ratio nicht, da doch W. in Graz schon vorgeschlagen war. – Was Sie mir über Minor schreiben, war mir sehr wertvoll. Nun verstehe ich erst seine wunderlichen briefe. Sie haben mich so frappiert, dass ich mich schliesslich auf den trockensten geschäftsstil beim antworten einschränkte. Das werde ich nun nach Ihrer charakteristik nicht mehr tun. Hoffentlich habe ich M. nicht verletzt. – Ueber Ihre neudrucke habe ich für die Zs. f. d. A. Anz. eine notiz gemacht auf Steinmeyers wunsch. Nehmen Sie mir nicht übel, dass ich gegen Ihre neigungen typographisch nachzuahmen, etwas ankämpfe. Ich freue mich recht auf die fortsetzg. Stranitzkys Ollapotr. wollte Wern. früher bei mir machen. Scherer, mein berater, sprach sich sehr entschieden gegen den neudr. aus, u. so ward er zurückgestellt, obwol ich nicht ganz abgeneigt war. – Immer noch fehlt Scherers einleitg zu den Frkft. gel. – Auch ESchmidt lässt nichts von sich hören. Ich wollte schon vergangene weihnachten das ms. zur Kindsmörderin haben; seit jener zeit schweigt er sich aus. – Anton Reiser wird L. Geiger, der sich darum beworben hat, im nächsten jahre machen. Jetzt bekomme ich von ihm Frdr. d. gr. Im mai von Martin die Ephemerides. Ich seufze unter der last der korr. u. bin totmüde vor arbeit. Verzeihen Sie darum auch, dass ich Ihren brief mit so dürftigen zeilen beantworte. Wenn ich wider einmal (wann??) zu einer menschlichen stimmung komme, schreibe ich wider mehr u. besser.
In Basel ist Bächtold, Henning, Roediger vorgeschlagen. Treu grüsst Ihr ergebener BSeuffert.
Graz, 45 Sparbersbachgasse 6. April 86.
Lieber Freund! Gestern Nachmittag sind Ihre Wielandbücher endlich auf die Post ge[ko]mmen, von meines technischen Freundes Stelzel kunstvoller Hand eingepackt, so daß sie wol gut bei Ihnen anlangen werden. Vielen, vielen Dank dafür! Wenn ich Ihnen nur einen Gegendienst erweisen könnte! Bücher hätte ich genug, aber keine, die Sie brauchen können. Die Masse meiner Bücher lastet gerade jetzt, wo ich die Übersiedlung in Erwägung ziehen muß, schwer auf meiner Seele. 30 Kisten habe ich bereits gehabt, als ich von Lemberg abreiste; um ein Drittel dürfte sich das Quantum hier wol vermehrt haben. Wenn sich die einstweilen nur vertraulich an mich gelangte Nachricht bestätigt, so werde ich in der Charwoche meine Hütte abbrechen und wandern. Ich thue es leichteren Herzens, seitdem ich weiß, daß Schönbach alles thun wird, um Sie zu meinem Nachfolger z[u] machen.
Ich hatte die Möglichkeit einer Übersiedlung jetzt zu Ostern schon ganz bei Seite gelassen und ich sehe mich in den Plänen die ich mir für die nächsten Monate entworfen hatte mannigfach gekreuzt. So muß ich die Maifahrt nach Weimar aus Geld- und Zeitmangel sein lassen und damit zerstieben die Hoffnungen Sie und andere m[ei]ner deutschen Freunde zu sehen. Dann hatte ich mir ruhige Arbeit für die 3 Sommermonate vorgenommen, von der ich nun nicht weiß, wie sie gedeihen wird. Cottas haben mir nemlich – ältere Verhandlungen wieder aufnehmend – die Besorgung der neuen (4.) Ausgabe von Grillparzers Werken ü[be]rtragen. Da die jetzt vorhandenen 10 Bde stereotypirt sind, so handelt es sich nur um eine 3 Bogen starke Einleitung und um 2 Ergänzungsbände, für welche mir das Material von Vollmer bereits zum Theile gesichtet übergeben wurde. Aber da mir das Wiener Archiv nun einmal zu unbeschränktem Gebrauche geöffnet ist, werde ich die Gelegenheit benutzen, so viel als mög[lich] von dem Material für mich zu gewinnen u. werde also die Sommermonate in Wien versitzen. Ich habe durch diese Arbeit angeregt auch bereits den Plan gefasst, eine große Grillparzer-Biographie auszuarbeiten, wozu ich durch meine Vorstudien, Sammlungen, Excerpte, durch Geburt und Neigung wie ich glaube recht eigentlich prädestinirt bin und der Stein der Wei[s]en, d. h. mein Schriftsteller, mein großes Buch (Sie erinnern sich wol meiner Klagen!) wäre also gefunden. Das sind alles natürlich noch Träume u. als solche werden Sie sie auch in sich verschließen.
Daran knüpfe ich eine andre Bemerkung. In meinen heurigen Stilübungen habe ich auch Hamann (aus dem Tragelaphen von P. u. H., sehen Sie, daß ich Plato schreiben wollte) vorge[n]ommen und einer meiner Zuhörer hat sich mit mit besonderer Liebe und Tiefe in diesen Schriftsteller versenkt. Er hat mir in den Übungen u. in mündlichen Gesprächen nachgewiesen (was mir übrigens längst klar war) daß für die Erklärung Hamanns alles noch zu thun ist u. daß diese nur möglich ist mit einer ausgebreiteten [Ke]nntnis der antiken Litteraturen, bes. aller der entlegenen griechischen Schriftsteller, welche der Magus in s. phänomenalen Gedächtnisse aufgestoppelt hatte. Mir fiel dabei ein, ob Sie nicht einmal eine kleine Hamannsche Schrift als specimen einer commentirten Ausgabe in Ihren DLD. bringen sollten. Sie müßten einen [c]lassischen Philologen dazu finden, der die nöthige Neigung mitbringt und in deutscher Litteratur gut beschlagen ist. Besagter studiosus Johann Conta würde sich nach einigen Jahren vielleicht dafür eignen; ich will ihn im Auge behalten, erkläre aber ausdrücklich, daß ich Sie nur auf die Sache aufmerksam machen wollte.
Nun: Uz! Es wäre mir lieb, wenn Sie mir sagten, bis wann Sie auf das Mskrt rechnen oder rechneten. Der Text macht keine Schwierigkeiten mehr; aber die Einleitung noch viele, weil mir die Zeitschrift ! fehlen, gerade die schweizerischen; aber auch andere. Von Prag aus wäre ein ‚Rutscher‘ nach Dresden leicht; etwa im Juli, bevor [ich] nach Wien gehe. Ich werde mir das nach Ihrer Antwort einteilen. Wären etwa schon von Fresenius’ Heft einige Bogen gedruckt, so würden Sie mir durch deren Communication meine Arbeit erleichtern.
Ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen alles g[es]chrieben habe, was ich Ihnen schreiben wollte; das ist der Fluch meiner menschenscheuen, briefscheuen Periode, in der ich alles in mich verbeißen mußte. Damit wirds ja jetzt wol zu Ende sein. Auch meine Mutter – obwol sie vor 10 Tagen neuerlich an einer Lungenentzündung erkrankt war – ist wieder besser. Hätte es nicht schon mehrmals trügerisch das Ansehen gehabt, so wür[d]e ich sagen: es scheint mir, als ob sich endlich Glück und Zufriedenheit zu mir herabsenken würde; wenigstens lebe ich zunächst an der Seite der Hoffnung.
Strafen Sie mich nicht zu sehr und lassen Sie etwas von Ihnen hören. Mit freundlichen Grüßen Treulichst
Ihr
AS.
Ich dank Ihnen für Ihre briefkarte, l. fr. Schreiben kann ich nicht: der landtag hat die für mich eingesetzte professur definitiv abgelehnt. Sorgen Sie also, dass Sie die fettere pfründe bekommen, damit Sie mir dann die magerere wenigstens zuschieben können und vor allem: cura ut valeas.
Ihr
BSfft.
Wzbg. 6 IV 86.
L. F. Vielen Dank für Ihre große Mühe in Angelegenheiten des A. Ich bin zwar der Überzeugung [da]ß wir solche Feinheiten nicht durchführen dürfen; aber die Untersuchungen, die Sie fordern, sollen gemacht werd[en]. Sie werden weiter von der Sache hören. Heute möchte ich Sie bitten, Ihre Entschließung wegen Einschiebung eines Heftes vor dem Uz noch auf 8 Tage zu verschieben. Da schicke ich Ihnen mein Man. zur Begutachtung. Wir müssen über einige Punkte schlüssig werden, bevor es ganz fertiggestellt werden kann. Der Druck des Textes müßte dann rasch begonnen werden, weil er sehr lange Zeit in Anspruch nehmen wird; denn es ist viel. aus dems. Grunde möchte ich die Einleit. möglichst beschränken. Uz braucht eine Monographie u. die will ich durch meine Einleit. nicht ganz überflüssig machen. Einen Theil meiner Untersuch. nehmen Sie vielleicht in Ihre Zeitschrift auf. Jedenfalls können Sie von einer Fertigstellung der Einleitung gleichzeitig mit dem Text diesmal mit gutem Gewissen absehen, weil der Text so umfangreich ist. – Durch Dr. Hauffen habe ich gehört, daß es Ihnen gut geht u. ich kann dasselbe von mir versichern, da ich längst gelernt habe, mich ins engste und bescheidenste zu ziehen und der tobenden brausenden Welt ihren Lauf zu lassen. Nach etwas mehr Sonne sehnt sich mein Gemüth allerdings und um den bald grünen Schloßberg beneidet Sie zur Osterzeit Ihr stets aufrichtig Ergeb. AS.
L. F. Ich komme mit einer kleinen Bitte. Ich arbeite für Göschen einen neuen Prospect über die DLD aus, eigentlich eine Übersicht wie sie den Niemeyerischen Heften beiliegt, in der ich nicht blos die auf den einzelnen Titeln genannten Autornamen anführe, son[dern] auch die auf d. Titel nicht genannten. Also z. B.
Goethe, siehe Frankfurter Gelehrte Anzeigen
Merck ----- ----- ----- -----
etc. Ich verzeichne also z. B. alle Beiträger zum MA. auf 1770 u. 71. Welche Namen darf ich nun Ihrer Meinung nach bei den Frankfurter Gelehrten Anzeigen außer Goethe, Herder, Merck, Schlosser verzeichnen. Bahrdt? Schmid? Leuchsenring, Behrends, Wenck, Waldin, Le Bret, Iselin, Raspe??? Die zweifelhaften lasse ich weg. Welche sind aber Ihrer Meinung nach ganz sicher als Beitr[äge]r anzunehmen? – Ich sehe voraus, daß die Beantwortung dieser Frage Ihnen gar keine Mühe macht und bitte Sie sie im letzten Fall einfach zu ignorieren. – Ich stecke bis über den Hals in Arbeit u. bin leider vom Semester her etwas müd.
Herzlich grüßend Ihr aufrichtig Erg.
AS.
Lieber freund, Ich danke Ihnen für die freundliche aufnahme der zuschrift u., jetzt nach abschluss der staatsaktion, nochmals für alles was Sie für die arbeit von Ihrem entstehen an getan haben. Böhlaus scheinen ja auch an dem h. geh. rat keinen narren gefressen zu haben. Sie waren sehr anständig, verlangten keinen zuschuss von mir, wollten sogar den gewinn ernstens teilen!! Ich habe sehr den wunsch, dass sie ohne schaden durchkommen, u. wenn Sie etwas in Böhmen dazu tun können, bitte ich Sie darum. Ich habe bis zur stunde noch kein exemplar. Schönbach war einst mitglied der GG, trat dann aus u. will nicht wieder beitreten. Es ist mir leid, wenn Ihr 2. bd. Sie so wenig freuen kann. Heute habe ich korrektur des Pervonte erhalten, morgen wird sie erledigt.
Ich bin gespannt auf genauere nachrichten über Weimarer zustände u. personalien. Hecker wächst zum kleinigkeitskrämer aus; fataler ist seine schwerfällige unklare ausdrucksweise im apparat. Haben Sie an dem litterar. verein in Wien reine freude? das könnte alles die Grillparzergesellschaft auch publicieren. Ich bin 14 tage in sorge um meine kranke frau gewesen; seit 3 monaten fesselt sie husten ans haus, zuletzt kam fieber u. allerlei böses; jetzt beginnt sie, das bett zu verlassen. Ich fühle mich selbst recht heruntergekommen; auch verstimmt, dass alle arbeitshoffnung zerstört ward. Gutes osterfest! Ihr treu ergebner BSfft.
Soeben kommen die ?????ria. Besten dank!
6.4.03.
Lieber freund, dass Sie in all der arbeitsnot meiner durch zusendung des Euph. gedachten, verdient besonderen dank. Ich habe vieles darin mit interesse gelesen. Wenn Sie den bogen 48 des XVI bd. noch überflüssig in korr. haben, bin ich so unverschämt darum zu bitten; er fehlt Ihrer sendung und enthält gerade einen Wielandbrief.
Ich hatte schlechte zeit; meine freu ist seit 5 monaten krank, war es im februar gefährlich; ich war auch krank; u. jetzt habe ich meinen älteren als Einjährigen in eine fremde garnison ziehen lassen müssen. So kam ich gar nicht zur arbeit.
Mich verlangt zu wissen, wie es mit der ausgabe steht u. ob Sie im sommer wieder lesen; doch Sie haben keine zeit zum schreiben u. ich bescheide mich. Treulich
Ihr ergebner
BSfft.
6.4.10
Herrn Prof. Dr. August Sauer
Wien I
Bartensteing. 13